Montag, 23.03.09:
Am vergangenen Sabbat führten wir eine kleine Gesundheitsausstellung in unserer Gemeinde durch. Dazu hatten wir
sieben Tische zu sieben verschiedenen Themen vorbereitet, u.a. die Entwicklung des Fötus im Mutterleib,
Anwendungsmöglichkeiten von Holzkohle, wie man Blutarmut erkennt und was man dagegen tun kann, verschiedene
Möglichkeiten der Hydrotherapie etc. An jedem Tisch gab es Anschauungsmaterial, ein Plakat auf dem alles
anschaulich erklärt war und Broschüren zum Mitnehmen. An einigen Tischen gab es außerdem praktische
Übungen, Geschicklichkeitsspiele sowie eine Blutdruckmessstation. Jeder Tisch wurde von mindestens einem Helfer
betreut, der den Besuchern das Gezeigte erklären sowie Fragen beantworten konnte. Jeder Besucher erhielt eine
kleine Karte, auf dem vermerkt wurde, welche Tische er besucht hatte und derjenige, der an allen Tischen war erhielt
am Ende ein kleines Geschenk.
Bereits am Sabbat davor hatten wir systematisch mit Einladungszetteln das Viertel um die Gemeinde herum abgegrast
und auch unsere Freunde eingeladen. Vor Beginn der Ausstellung spielten wir Musik im Hof, um die Aufmerksamkeit auf
uns zu ziehen. Trotzdem hatten wir keine Ahnung, wie viele Leute wohl kommen würden. Am Ende zählten wir
rund 50 Besucher, die alle Tische durchlaufen hatten, und als wir um 18h30 die Ausstellung schlossen, mussten einige
Nachzügler sogar unverrichteter Dinge nachhause gehen. Wir sind Gott sehr dankbar für das rege Interesse
der Bevölkerung und hoffen, dass die Besucher von den reichhaltigen Informationen profitieren werden.
Mittwoch, 18.03.09:
Die Stimme meiner Vermieterin schallt über den Hof. „Tanti, ich geh schnell was einkaufen, Charbel
bleibt bei seiner Mama" (das bin in diesem Fall ich). Und schwupp, schon ist sie weg und Charbel, ihr knapp 3-jähriger Sohn, steht in meinem Wohnzimmer, die Hand bis zum Ärmel in einer Schüssel mit seinem zweiten Frühstück. Ich entferne erst mal schnell alles vom Couchtisch und er lässt sich häuslich nieder. Als er fertig ist mit essen und ich ihm Hände und Mund gewaschen habe gebe ich ihm ein paar Buntstifte und ein Blatt Papier und geh wieder in die Küche, wo ich eigentlich am Spinatputzen war. Alle paar Minuten geh ich zurück ins Wohnzimmer um zu nachzuschauen, was der Kleine macht. Eine afrikanische Mutter würde das nicht machen, sondern das Kind sich selbst überlassen.
Aber eine afrikanische Mutter hat auch keinen Wohnzimmertisch voller Bücher. Außerdem basiert afrikanische Erziehung vor allem auf Strafe, wenn das Kind etwas angestellt hat. Ich halte dann doch mehr von Prävention und sage dem Kind vorher, was es darf und was nicht. Und dazu muss man eben immer wieder nachschauen, was der Bursche so treibt.
Nach einer Weile folgt Charbel mir dann in die Küche und nachdem ich etwa 50-mal die gleiche Frage
beantwortet habe („was ist das?“) kommt seine Mutter vom Einkaufen zurück, er rennt davon
und ich kann zügig weiterkochen.
Etwas eine Stunde später ist er aber wieder da. Mama hat ihn verhauen und er kommt, um sich bei mir
auszuweinen und auszuruhen. Praktischerweise bin ich jetzt am Plätzchenbacken und das ist sowieso
viel interessanter. Nachdem er wieder x-mal dieselbe Frage gestellt hat („sind sie noch heiß?“)
und ich ihm endlich einen Keks gegeben habe, ist die Welt wieder in Ordnung und er trabt ab.
Diese kleine Geschichte soll Euch zeigen, wie eng wir hier zusammenleben. Ganz selbstverständlich vertraut
man sein Kind einer anderen Frau an. Sie wird gar nicht gefragt, denn ein Kind kommt nie ungelegen. Die Kinder
gehen freimütig in allen Nachbarhäusern ein und aus und keiner würde ihnen jemals etwas zuleide tun.
Man vermisst sie auch nicht, wenn sie stundenlang unterwegs sind. Sie werden schon irgendwo gut aufgehoben sein. |
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Dienstag, 18.03.09:
Die nächste Etappe unserer Forschungsarbeit besteht darin, Legenden, Mythen und die Geschichte der
Otammari aufzuzeichnen. Und so traf ich mich heute Vormittag mit einem älteren Herrn, einem pensionierten
Lehrer, der mir einige Geschichten erzählte.
Hier eine Kostprobe:
Unsere Vorfahren gingen auf die Jagd. Dabei legten sie oft weite Strecken zurück. Irgendwann
wurden sie furchtbar durstig, doch es waren keine Häuser in der Nähe und sie fanden kein Wasser.
Sie waren schließlich gezwungen, das Blut der erlegten Tiere zu trinken. Da sahen meine Urgroßväter
Wildschweine, die sich im Matsch gewälzt hatten. Sie liefen den Spuren nach in die Richtung, aus der
die Wildschweine gekommen waren und fanden einen Tümpel. Jeder Jäger trug einen Flaschenkürbis
mit gegrilltem Mehl darin bei sich. Wenn man diesem Mehl Wasser beifügt und das Gemisch trinkt, kann man
problemlos 2-3 Tage unterwegs sein ohne Hunger zu haben. Sie füllten also schnell ihre Flaschen mit Wasser,
tranken und kamen wieder zu Kräften. Dann bliesen sie ihre Pfeifen, um die anderen Jäger herbeizurufen.
Als die anderen Jäger ankamen waren sie so gierig, dass sie schnell ihr Mehl in den Tümpel schütteten,
anstatt Wasser in ihre Flaschenkürbisse zu füllen. Die Fische fraßen sofort das Mehl auf. Bis heute
ziehen wir die anderen damit auf, dass sie so blöd waren, das Mehl in den Tümpel zu kippen.
Meine Vorfahren schworen an diesem Tag, nie wieder Wildschweine oder Schweine zu essen, da diese Tiere
ihnen das Leben gerettet hatten.
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