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Dienstag, 21.01.14:
Es war ein typischer Montag gestern bei unserer Leiterschulung. Lebhafte Diskussionen, interessante Fragen und ein angeregter Gedankenaustausch. Neben unserem derzeitigen Programm, der Entwicklung der ersten Bibelstundenserie, ist auch immer Zeit, um verschiedene Themen zu besprechen, die den Leuten unter den Nägeln brennen. Gestern kam einer der neueren Teilnehmer mit einer eher seltsamen Geschichte: In seiner früheren Kirche würden kistenweise kleine Neue Testamente lagern, weil sie von der Meeresgöttin Mami Water manipuliert seien. Nun gibt es hier tatsächlich oft Geschichten, die unglaublich, aber wahr sind. Es kursiert aber auch viel, naja, sagen wir mal vorsichtig Schwachsinn. Es ist also immer angebracht, ein paar Fragen zu stellen und den gesunden Menschenverstand walten zu lassen, ohne natürlich zu vergessen, dass es Dinge gibt, die die menschliche Logik übersteigen. Die Geschichte lautete folgendermaßen: Jemand wollte mit diesen Neuen Testamenten sehr viel Geld verdienen. Da ihm bei der Produktion das Geld ausging bat er Mamie Water um Hilfe und sie gab ihm das nötige Geld. Im Gegenzug manipulierte sie aber die Bücher, sie sind also jetzt satanisch und nicht mehr brauchbar. Unser Freund war deshalb hocherfreut, dass er neulich ein Büchlein aus meiner Hand ergattern konnte, denn dabei muss es sich ja um eine adventistische, saubere Ausgabe handeln. Er war natürlich etwas verwirrt, als ich zur Richtigstellung erklärte, dass ich die Neuen Testamente von einem katholischen Priester bekommen hatte und es sowieso keine "adventistischen Bibeln" gibt.
Dass Menschen mit Geistern Deals machen und für eine Gegenleistung Geld bekommen, ist bekannt und kommt häufig vor. Was uns hier aber stutzig machte war die Tatsache, dass es sich bei den fraglichen Neuen Testamenten um Gideon-Bibeln handelt, die erstens nicht verkauft werden, es kann also keiner Geld damit verdienen, und diese zweitens in den USA mit Spendengeldern gedruckt werden. Es dürfte schwierig werden für Mamie Water, da ihren Fuß in die Tür zu kriegen. Wir fragten also nach, inwiefern diese Bücher jetzt satanisch wären und er erklärte, dass auf der letzten Seite eine geheime Botschaft in Spiegelschrift stünde, die nur sichtbar wird, wenn man das Blatt anfeuchtet. Sehr mystisch, nicht wahr! Jason, ganz der rational denkende, alles hinterfragende Weiße bat mich sofort um eine meiner katholischen Ausgaben und befeuchtete die letzte Seite. Und was erschien dort in Spiegelschrift? Das Wort Back – Hinten! Mit blitzschneller Kombination befeuchtete er auch den Vordereinband und siehe da: Front – Vorne. Unser Freund war entsetzt und verwirrt. Was hatte das alles zu bedeuten? Waren wir in die schrecklichen Geheimnisse von Mamie Water eingeweiht? Wir versuchten dann, Schritt für Schritt zu erklären, was Back und Front bedeutet, dass es sich dabei lediglich um eine Aufschrift im Buchumschlag handelt, der den Produktionsprozess erleichtern soll, und dass jeder x-beliebige Schriftzug von der Rückseite betrachtet in Spiegelschrift erscheint. Den skeptischen Gesichtern konnten wir entnehmen, dass nicht alle überzeugt waren. Jason nahm dann irgendein bedrucktes Blatt und befeuchtete eine Stelle. Er drehte es um, und siehe da – die Schrift war spiegelverkehrt! Bei einigen ging da sichtbar ein Licht auf. Aber wir sind uns immer noch nicht sicher, ob alle überzeugt waren. Hier sind wieder einmal zwei Kulturen aufeinandergeprallt – unsere wissenschaftsgläubige, die für (fast) alles eine einleuchtende Erklärung hat und die animistische, die alles spiritistisch erklärt. Die Wirklichkeit liegt wie so oft irgendwo dazwischen. Wir waren aber doch betroffen, wie Satan es durch die Hintertür geschafft hat, einer ganzen christlichen Kirche und darüber hinaus etwas vorzugaukeln und kistenweise Bibeln aus dem Verkehr zu ziehen. Die Leichtgläubigkeit der Menschen gerade auf dem spirituellen Gebiet ist frappierend und Satan nützt die Manipulierbarkeit der Leute gnadenlos aus. Eines unserer Themen in der Leiterschulung ist Kritisches Denken. Das werden wir in nächster Zeit wohl wieder etwas öfter auf den Stundenplan setzen, damit Satan nicht mehr so leichtes Spiel hat!

 
 
Ach übrigens: Mamie Water ist bildhübsch, hat einen menschlichen Oberkörper und einen Fischschwanz. Also nichts anderes als die kleine Meerjungfrau. Man sollte vielleicht doch ab und zu hinterfragen, was unsere Kinder so lesen und anschauen... Auch im Westen ist Kritisches Denken angebracht!
 
Freitag, 31.01.14:
Ich schreibe diese Zeilen aus Possotomé im Südwesten des Landes. Seit Beginn dieser Woche sind wir hier in einer Hotelanlage an einem See. Wir, das sind die Afrika-AFM-Missionare aus Benin, Mali und Guinea und unser Supervisor, sowie (fast) alle Pastoren Benins, die Verwaltung der hiesigen Vereinigung und der Vorsteher und Sekretär des neugegründeten Ost-Sahel-Verbandes. Das Otammari-Team hat nämlich zu einem 3-tägigen Pastoren-Seminar eingeladen. Bereits seit über einem halben Jahr hatten wir dies in Planung, doch die Terminfindung war nicht ganz einfach und jetzt hat es endlich geklappt. Das Ziel dieses Seminars war einerseits, unsere manchmal etwas außergewöhnlichen Evangelisationsmethoden den Pastoren und Verantwortlichen von Vereinigung und Verband vorzustellen und damit transparenter zu machen, natürlich auch in der Hoffnung, dass wir den Pastoren neue Gedankenanstöße geben können. Andererseits wollten wir eine Plattform für gegenseitigen Gedanken- und Erfahrungsaustausch schaffen. Wir sprachen über das animistische Weltbild, die Gefahr des Synkretismus, Kontextualisierung, und wir erklärten die verschiedenen Phasen der Evangelisationsarbeit, wie wir sie praktizieren und in unserer Leiterschulung lehren. In verschiedenen Übungen und Diskussionsrunden überlegten wir gemeinsam, wie biblische Wahrheiten und Geschichten den Menschen auf eine Weise nahegebracht werden können, die sie anspricht und die für sie relevant ist. Es war uns sehr wichtig, nicht nur zu dozieren, sondern vor allem auch ins Gespräch zu kommen über verschiedene Probleme, mit denen wir, und die Pastoren noch viel mehr, bei unserer täglichen Arbeit konfrontiert sind, um voneinander zu lernen und Erfahrungen auszutauschen. Und es waren in der Tat sehr offene und gesegnete Gespräche, von denen alle Beteiligten profitierten.
Jason und ich hatten den Großteil der inhaltlichen Vorbereitung übernommen und wir waren auch ganz schön angespannt. Wir hofften, dass dieses Seminar unsere ohnehin schon gute Kooperation mit den Pastoren und der Vereinigung noch verbessern würde, und ich denke, das ist uns mit Gottes Hilfe gelungen. Es besteht ja auch immer die Möglichkeit, dass so etwas daneben geht, wir als Besserwisser und Neo-Kolonialisten missverstanden werden. Diesen Eindruck wollten wir auf gar keinen Fall erwecken und taten unser Bestes, den Pastoren und Vorstehern unseren Respekt zu erweisen. In der afrikanischen Kultur ist es ungeheuer wichtig, dass Autoritäten und Hierarchien respektiert werden, und da stehen Pastoren ziemlich weit oben.
Am Ende dieses Seminars gaben wir Gott die Ehre. Wir bekamen viel positives Feedback und hoffen, dass sich in der Zukunft noch mehr Gelegenheiten zu ähnlichen Treffen ergeben werden. Und nun freuen wir uns auf das wohlverdiente Wochenende und die einwöchige AFM-Missionarsfreizeit, die sich hier direkt an das Seminar anschließt.