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Montag, 07.09.09:
Wenn ich aus dem Fenster sehe, blicke ich auf Felder und Bäume. Die Luft ist von Vogelgezwitscher erfüllt und nur ganz entfernt höre ich Kinder Fußball spielen. Was daran so besonders ist? Bisher blickte ich auf Nachbarhäuser und die Luft war von Kindergeschrei erfüllt. Wir sind umgezogen!
Unser neues Heim, das Toussaint seit unserer Rückkehr aus Deutschland im Dezember letzten Jahres gebaut hat,ist fertig und wir sind letzte Woche eingezogen. Es ist ein schönes Haus (dank des Augenmaßes des Maurers größer als geplant& ) mit Büro, Gästezimmer und einem großen Wohnzimmer, in dem viele Leute Platz haben. Unser neues Zuhause liegt etwa 4 km vom Stadtzentrum entfernt in einem wenig besiedelten Viertel, neben einem Internat/Waisenhaus (daher der Fußball). Man könnte fast sagen wir wohnen jetzt "auf dem Land".
Damit keine Missverständnisse aufkommen möchte ich erwähnen, dass für den Bau keinerlei Spendengelder oder AFM-Gelder verwendet wurden. Gott hat während der ganzen Bauzeit viele Wunder vollbracht und wir können nur Ihm die Ehre dafür geben, dass wir jetzt so ein schönes Haus haben. Wenn ich auf meiner Terrasse sitze und den Sonnenuntergang betrachte, scheint es noch wie ein Traum zu sein.
Im Moment fühlt es sich allerdings auch noch ein bisschen fremd an. Als wir letzte Woche unsere Sachen packten und all unsere Nachbarskinder zum Helfen kamen war es mir etwas schwer ums Herz. Und als dann auch noch meine Lieblingsnachbarin mit ihren Töchtern kam, um sich zu verabschieden, musste ich richtig mit den Tränen kämpfen. Wir lebten dort wie in einer großen Familie dicht zusammen, und hier fühle ich mich noch etwas einsam, da ich noch niemanden kenne und nicht schnell nebenan einen kleinen Schwatz halten kann. Doch bis jetzt ist noch jeden Tag eine Gruppe Kinder aus unserem alten Viertel zu Besuch gekommen, es sind nur etwa 20 min zu Fuß.

 
 
 
Bitte betet für uns, dass wir uns gut in unserem neuen Viertel einleben und schnell Freunde finden. Betet vor allem, dass Gott unser Heim segnen und zu Seinem Zweck gebrauchen möge.
 
 
 
 
Montag, 31.08.09:
Unsere Pfadfinder sind gestern vom nationalen Pfadfinder-Sommerlager aus Allada im Süden des Landes zurückgekommen. Sie haben viel gelernt, wenig geschlafen und vieles erlebt. Die Organisation hatte schwer damit zu kämpfen, dass sich trotz wiederholter Aufforderung nur 250 Kinder angemeldet hatten, dann aber 350 erschienen waren und versorgt werden mussten. Außerdem war oft das Wasser abgestellt und musste über weite Strecken von Brunnen geholt werden. Da die Gruppen hier nicht mit Zelten ausgestatten sind, finden die Camps üblicherweise in Schulen statt, wo die Kinder in Klassenzimmern schlafen. Wecken war um 5h für die persönliche Andacht, gefolgt von der Gruppenandacht und Frühstück. Die älteren Kinder nahmen an etlichen Schulungen teil zu den Themen Partnerwahl, Haushalterschaft u.ä., während die kleineren Kinder Spiele machten, Lieder lernten und Geschichten hörten. Außerdem gab es für alle einen Sporttag, einen Gebets- und Fastentag und einen Umzug in Uniform durch die Stadt. Soweit ich sehen konnte war es ein recht straffes Programm und die Abendveranstaltungen endeten gegen 22h. Alles in allem etwas anders, als ich es von den Pfadilagern aus meiner Kindheit kenne, doch es scheint allen gefallen zu haben. Wir sind sehr froh, dass es Dank finanzieller Hilfe aus Kanada (organisiert von Eric) möglich war, alle Kinder unserer Pfadkindergruppe zu schicken, die gehen wollten. Da die Anfahrt recht weit war, wäre es unseren Eltern nicht möglich gewesen, Fahrtkosten und Teilnehmergebühr aufzubringen.

 
Montag, 17.08.09:
Wie Washington D.C. hat auch Natitingou ein "Weißes Haus". Allerdings wohnt da nicht der Präsident, sondern einige hundert Inhaftierte.
Zwei ältere Geschwister meiner Freundin Jeanne waren bis letzte Woche für einen Monat im Gefängnis, genannt "La maison blanche". Sie haben nicht wirklich ein Verbrechen begangen, waren aber auch nicht wirklich unschuldig, denn auch hier gilt der Grundsatz: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Toussaint und ich haben sie einmal im Gefängnis besucht, und als sie jetzt auf freien Fuß gesetzt wurden, bin ich zu ihnen nachhause, um sie willkommen zu heißen. Mal davon abgesehen, dass ein Gefängnis seine Daseinsberechtigung hat und normalerweise ein Ort ist, wo jemand seine gerechte Strafe absitzt, hat mich doch sehr erschüttert, was Jeannes Schwester berichtete. Das Gefängnis ist so überfüllt, dass in den Zellen im Sitzen geschlafen wird. Es gibt nicht genug Liegefläche für alle. Einmal am Tag, um 14 Uhr gibt es eine Mahlzeit, mehr nicht. Die meisten Gefängnisinsassen werden von Angehörigen mit Mahlzeiten versorgt, doch wer keine Angehörigen hat oder von ihnen aufgegeben wurde muss sich mit dieser kargen Ernährung begnügen. Diejenigen, die Besuch bekommen, können sich aber auch nicht uneingeschränkt an mitgebrachten Geldgeschenken, Früchten o.ä. erfreuen, denn sobald der Besuch weg ist verlangt das Wachpersonal seinen Anteil und knöpft ihnen die Hälfte ab. Viele Frauen sind dort mit ihren Kleinkindern, so auch Jeannes Schwester Clarisse, die erst zwei Monate zuvor entbunden hatte. Glücklicherweise ist das Baby noch zu klein, um sich an die Zeit im Gefängnis erinnern zu können. Da Clarisse und ihr Bruder jeden Tag zweimal von der Familie besucht und versorgt wurden teilten sie ihr Essen mit anderen, die keine Unterstützung erhielten. Als nun der Tag der Befreiung kam, war Clarisse zwar überglücklich, doch gleichzeitig brach es ihr das Herz, ihre neuen Kameraden in ihrem Elend zurückzulassen. Die schlugen daher der weinenden Frau vor, doch noch eine Weile zu bleiben, aber das wollte sie dann doch nicht....