Sonntag, 11.04.10:
Heute endete FACTAM 2010, das Kunst- und Kulturfestival der Otammari. Fünf Tage lang war richtig viel geboten in der Stadt: Umzug,
Ausstellung, Tanzaufführungen, Folkloristische Nacht, Bogenschießen, Konzert, Vorträge und sogar die Wahl von Miss FACTAM. So oft
es mir möglich war habe ich mich ins Gewühl gestürzt und so viel wie möglich an Information und Eindrücken gesammelt. Ganz nebenbei
habe ich viele alte Freunde wieder getroffen und konnte auch neue Kontakte knüpfen, die uns bei unserer Arbeit weiterhelfen können.
Besonders interessant fand ich die Vorträge und anschließenden Diskussionen zu verschiedenen Themen der Geschichte und Traditionen
der Otammari. Zwischen den Zeilen war immer wieder herauszuhören, dass sich die Alten und auch die intellektuelle Elite Sorgen machen
darüber, wie wenig die Otammari über ihre eigene Kultur wissen, wie wenig davon erforscht und dokumentiert ist und dass das Wissen
ausstirbt, wenn nichts unternommen wird. Das ist auch das Problem, mit dem wir während unserer Forschungsarbeit ständig konfrontiert
sind: Viele Leute kennen ihre eigenen Gebräuche nicht mehr oder sie wissen zwar, welche Feste und Zeremonien stattfinden, kennen aber
weder deren Hintergrund noch Bedeutung. (Ungefähr so wie die Menschen in Deutschland Weihnachten oder Ostern feiern aber nicht mehr
wissen, dass es dabei um Geburt oder Tod und Auferstehung Jesu Christi geht.) Die meisten folgen blind der Tradition, ohne darüber
nachzudenken, welche Überzeugungen dahinter stehen. Eine Bemerkung eines Gelehrten Otammari im Anschluss an seinen Vortrag hat mich
besonders beeindruckt. Er meinte, dass die Leute lernen müssten zu unterscheiden, welche Aspekte der Kultur erhaltenswert sind und
welche nicht. Das ist genau der Grund, weshalb wir uns mit dieser Studie so abplagen. In der Vergangenheit haben Missionare einfach
die Kultur der "Heiden" in die Tonne getreten, haben die Bibel gezückt und alles umgewälzt. Das war ein Fehler und wir wollen ihn
nicht wiederholen, sondern zusammen mit den Otammari entdecken, welche Teile ihrer Kultur gut, biblisch und erhaltenswert sind und
welche schlecht und schädlich sind oder sie sogar an den Teufel binden. Das ist eine große Herausforderung und wird noch ordentlich
Kopfarbeit erfordern, doch wir hoffen, dass das Ergebnis den Weg zu einem echten Verständnis des Evangeliums ebnen wird.
Montag, 05.04.10:
Heute waren wir wieder einmal in Toussaints
Heimatdorf. Da Osterferien sind, nahmen wir auch seinen jüngeren Halbbruder sowie einen anderen Jungen, beide aus dem Internat,
mit, damit sie ihre Familien sehen konnten.
Es war ein schöner Tag und unsere Freunde und Verwandten freuten sich, uns wieder einmal zu sehen. Auf dem Hinweg überholten
wir einen "Schwertransport", beladen mit 10 Fahrrädern, 2 Fernsehern und einem 25-Liter-Kanister. Der Fahrer saß auf dem Tank.
Das Foto will ich Euch auf keinen Fall vorenthalten!
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Samstag, 03.04.10:
Nach tagelangem Rätseln sind wir einem Mysterium auf die Spur gekommen. Jeden Morgen, wenn ich auf unserer Terrasse meine Bibel
lese, kommt die kleine Tochter einer Nachbarin vorbei, die vor dem Waisenhaus „Wace“ (Reis mit Bohnen) verkauft. Dieser Weg führt
eigentlich nur noch an zwei Häusern vorbei und ist dann am Wasserwerk zu Ende, zumindest für kleine Mädchen, die, wie wir inzwischen
wissen, möglichst nicht über’s Wehr balancieren sollten. Wo also geht sie hin, jeden Morgen um die gleiche Zeit? Denn nach wenigen
Minuten kommt sie wieder. Man könnte sich denken, dass sie vielleicht in die Büsche geht, aber das tut sie nicht, Toussaint hat sie
aus der Ferne beobachtet. Sie geht, bleibt an einer bestimmten Stelle am Wegrand stehen, bückt sich und kommt dann wieder zurück.
Schließlich hielt es Toussaint nicht mehr aus und fing sie auf ihrem Rückweg ab. Er fragte sie im Spaß, ob sie ihm Zucker für seinen
Frühstücksbrei kaufen würde. Sie antwortete, dass sie kein Geld habe und hielt als Beweis ihre leeren Händchen auf. Fast leer. Sie
hatte nämlich ein Kraut in der Hand und damit war für Toussaint alles klar. Diese Pflanze soll Glück bringen, wenn man sie sich in
die Haare steckt. Die Waceverkäuferin steckt sich also jeden Morgen das Kraut unters Kopftuch, damit sie möglichst viel Kundschaft
bekommt. Im Moment hat sie in der Tat viele Kunden, aber das liegt nicht am Kraut, sondern daran, dass die andere Waceverkäuferin
in unserem Viertel Zwillinge bekommen hat und derzeit nicht verkauft. Das wird sich wieder ändern und dann hilft auch das Kraut
nicht mehr, bei der anderen Dame schmeckt es nämlich besser und die wäscht sich auch die Hände vor dem Servieren!
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