Mittwoch, 12.05.10:
Unser Freund Basile hat mich heute mitgenommen in sein Heimatdorf, wo gerade die Endphase und damit die wichtigste Etappe der
Initiationszeremonien für Jungen (Difonni) stattfindet. Als wir ankamen, waren über hundert Jungs bereits über die Hügel verteilt
hintereinander aufgestellt. Sie waren völlig nackt und hatten alle den Blick zu Boden gerichtet. Sie hatten die Nacht in heiligen
Wäldern verbracht und sollten sich nun auf den Weg machen zu einem mächtigen Fetisch im Nachbarort, um auch dort die entsprechenden
Zeremonien und Opfer durchzuführen. Auf ein Zeichen hin setzten sich alle in Bewegung, erst gehend, dann im Laufschritt. Vorneweg
die Seher, die überprüfen mussten, ob der Weg frei war und es keinerlei Anzeichen für ein spirituelles Problem gab. Dahinter die
großen Fetischeure der Dörfer, aus denen die Jungen kamen. Auch sie waren nur mit einem Fell oder einer kurzen Hose bekleidet,
trugen Pfeil und Bogen und einen aus Gräsern geflochtenen "Helm". Dahinter kam dann die lange Schlange von Jungen. Frauen dürfen
die Gruppe nicht begleiten und so zogen wir nicht mit, doch meine Begleiter erklärten mir, was dort vor sich geht. Erst kommt
die Gruppe auf ihrem Weg zwischen zwei Häusern durch, wo die Wächter des Fetischs wohnen und von wo sie heiliges Feuer mitnehmen
müssen, da sie nur damit an dem heiligen Ort ein Feuer entfachen dürfen. An dem Heiligen Ort angekommen müssen all diejenigen,
die bereits mit einem Mädchen geschlafen haben, zurückbleiben und dürfen nicht vor den Fetisch treten. Wenn sie es trotzdem tun,
werden sie nie wieder mit einer Frau schlafen. Ihr Glied wird schrumpfen und an Ort und Stelle wird Blut austreten. An dem Heiligen
Ort werden sie außerdem eine Stelle mit Schlamm vorfinden (auch wenn es seit Tagen nicht geregnet hat). Mit diesem Schlamm werden
alle Jungs und auch ihre Begleiter an Brust und Rücken bestrichen. Wenn allerdings einer der Teilnehmer nicht alle Zeremonien bis
zu diesem Punkt korrekt durchgeführt hat, wird der Schlamm nicht da sein. Dann muss erst der Schuldige gefunden und das Versäumnis
aufgeholt werden, bevor der Prozess weitergehen kann.
Gegen Nachmittag kam die Gruppe zurück und während die Jungs sich bei ihren Familien etwas ausruhten, aßen und duschten, feierten
die Begleiter. Es gab Hirsebier eimerweise und in jedem Haushalt wurde geschlachtet. Alle Familien, von denen ein Sohn teilnimmt,
haben Gäste, einige sind von weither gereist. Es ist ein richtiges Familienfest, wie bei uns Weihnachten oder so. Es wurde getanzt,
auf traditionellen Instrumenten musiziert und selbst gedichtete Lieder gesungen, in denen man sich gegenseitig auf die Schippe nimmt.
Am Abend gab es dann noch "Schaukämpfe" mit traditionellen Peitschen, auf die wir allerdings nicht mehr warten konnten, weil wir vor
Einbruch der Dunkelheit zuhause sein wollten. Der sportliche Aspekt und die Unterhaltung stehen dabei im Vordergrund, doch manchmal
wird die Gelegenheit genutzt, um eine alte Rechung zu begleichen.
Leider durfte ich keine Fotos machen, doch die Eindrücke dieses angefüllten und interessanten Tages durfte ich mitnehmen.
Mittwoch, 12.05.10:
Heute war ich seit langem einmal
wieder in Boukombé und habe bei dieser Gelegenheit auch den dortigen Laienevangelisten Hyacinthe, seine Frau Elisabeth
und ihr Baby Merveille besucht. Merveille ist, wie der Name sagt, ein Wunder. Hyacinthe und Elisabeth sind seit über
7 Jahren verheiratet und haben nun ihr erstes Kind bekommen. Nur wer eine Zeitlang in Afrika gelebt hat oder sich gut
mit alttestamentlichen Geschichten auskennt kann sich ausmalen, welchem Druck die beiden jahrelang ausgesetzt waren,
weil sie nicht schwanger wurde. Die Familie beleidigte Elisabeth (traditionell geht man davon aus, dass der Fehler
bei der Frau liegt) und strafte sie mit Missachtung. Hyacinthe bekam von allen Seiten Druck, er solle sie verjagen
oder sich wenigstens eine zweite Frau nehmen.
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Ständig wurden sie gedrängt, die Geister der
Vorfahren zu konsultieren und dem Fetisch Opfer zu bringen, um endlich eine Schwangerschaft herbeizuführen. Sie
waren in der Familie und im Dorf nicht respektiert und ständigen verbalen Angriffen ausgesetzt. Trotzdem blieben sie
standhaft, hielten treu zueinander und auch zu Gott, der der einzige Geber von neuem Leben ist und dem sie vertrauten,
dass Er weiß was das Beste für sie ist.Sie waren entschlossen zusammen zu bleiben, auch wenn dieser Ehe nie ein Kind geboren werden
würde. Nach vielen Jahren wurde nun ihre Treue belohnt und ihnen wurde eine gesunde Tochter geschenkt. Die Kritiker
sind verstummt, man respektiert und achtet sie endlich als vollwertige Familie. Und nicht nur das, sie werden von
Verwandten nun auch zunehmend um Rat gebeten, ihr Lebensstil wird bewundert, ihr Glaube und ihr Gott werden akzeptiert.
Einer von Elisabeths Brüdern hat seine kranke Tochter geschickt und darum gebeten, dass sie sie während der Zeit der
Behandlung zu sich nehmen und auch für sie beten möchten. Ihre Standhaftigkeit redete lauter als viele Predigten und
sie gaben Gott die Möglichkeit, Seine Allmacht zu beweisen und zu zeigen, dass Er Seine Kinder, die treu zu Ihm stehen,
reich segnet - zu Seiner Zeit.
Samstag, 08.05.10:
"Wenn Papa uns eine Arbeit gibt, wenn wir z.B. Unkraut jäten sollen oder die Wege fegen, dann sind es immer nur ein
paar die arbeiten und der Rest legt sich hin und pennt. Da finde ich nicht gut".
"Wenn ich zum Zeitpunkt der Essensausgabe nicht da sein kann und jemand anderen bitte, meine Portion zu holen, dann
macht der das oft nicht. Das ist doch unkollegial!"
"Das stimmt, ich hole Dein Essen nicht. Weil Deine Schüssel nämlich
nicht gespült ist und ich keine Lust habe, erst Deine angetrockneten Essenreste vom Vortag abzukratzen!"
"Mir hat schon wieder jemand meine Seife geklaut. Das ist jetzt schon das dritte Mal!"
Wir sind hier in Toussaints monatliches Treffen mit den Jungs vom Waisenhaus geraten. Ich hab da als Frau nicht wirklich
was verloren, aber ab und zu gehe ich ein bisschen lauschen, was Samstagabends in der Hütte so besprochen wird. Jeder darf
sagen, was ihm auf dem Herzen liegt unter der Bedingung, dass er keine Namen nennt und niemanden direkt angreift. Das mit
der Anonymität klappt aber meistens nicht, weil der "Angeklagte" in der Regel sofort weiß, dass er gemeint ist und sich
lautstark verteidigt und somit outet. Toussaint versucht zu vermitteln, zu schlichten, zu korrigieren und zu ermahnen.
Und dann gibt es natürlich noch die "Vergehen" derer sich fast alle schuldig machen und die deshalb von niemandem
angesprochen werden, z.B. Schuleschwänzen und der gegenseitige Essensklau. Die bringt dann Toussaint auf den Tisch.
Gestern Abend schloss er die Sitzung mit einigen Ratschlägen hinsichtlich des Umgangs mit Mädchen. Man kann sich ungefähr
ausmalen, welche Versuchungen es in einem gemischten Internat mit einem Haufen Teenagern gibt.
Da uns diese Kinder am Herzen liegen und wir überzeugt sind, dass Gott uns ganz bewusst in ihre Nachbarschaft gesetzt hat,
versucht Toussaint ein bisschen auszugleichen, was von den Verantwortlichen des Internats versäumt wird. Es zeigt sich jetzt
schon, dass nicht alle Jungs seine Ratschläge positiv aufnehmen. Manche rebellieren und wenden sich von uns ab. Aber wir
sehen auch, dass uns einige ihr Vertrauen entgegenbringen, sich etwas sagen lassen und über das nachdenken, was Toussaint
ihnen sagt. Wenn Gott uns dazu gebrauchen kann, auch nur einigen Kindern die richtige Richtung im Leben zu weisen, dann
ist das allemal den Einsatz wert.
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