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Freitag, 30.01.09:
Die zweite Phase meiner "Verfolgungsjagd" ist beendet. Ich habe die vergangenen drei Tage mit der Mutter meiner Freundin Jeanne verbracht. Sie ist vielfache Mutter, Großmutter und Urgroßmutter und ruht sich, wie viele Großmütter auf der ganzen Welt, nie aus. In diesen drei Tagen machte sie Sheabutter (wird aus dem Karitébaum gewonnen und als Frittierfett oder auch zur Körperpflege verwendet), verarbeitete Maniok, braute Hirsebier, ging auf den Markt, bereitete Tofu und Fleisch zu (eine Art Riesenratte) um damit durch die Straßen ihres Viertels zu gehen und es zu verkaufen, machte Großputz im Hof, beaufsichtigte unzählige Kinder und noch vieles mehr. Ich wurde jedenfalls schon alleine vom Zuschauen und Hinterherlaufen müde. Der vorherrschende Eindruck nach diesen drei Tagen war der, dass auch in der Kultur der Otammari ein enormer Werteverfall zu verzeichnen ist. In diesem Haus leben drei Generationen zusammen, doch niemand hat Respekt vor dem Alter. Mama machte alle Arbeit, während ihre Töchter und Enkelinnen sich plaudernd die Zeit vertrieben. Wenn eine Diskussion aufkam, wurde ihr frech und schnippisch geantwortet. Auch von den strengen Regeln der Otammari hinsichtlich Familie und Sexualität war nichts mehr zu erkennen. Fast alle Töchter haben uneheliche Kinder. Einige haben einen "Mann", doch keiner dieser Männer hat den traditionellen Brautpreis gezahlt, so dass sie nach dem Brauchtum gar nicht als verheiratet gelten.
Immer wieder höre ich von außerhalb und auch innerhalb der Kirche, dass Missionierung die Kultur der Völker zerstöre. Ich kann guten Gewissens sagen, dass das nicht stimmt. Die Kultur und die Werte der traditionellen Völker werden vor allem durch die Modernisierung zerstört, und die kommt in erster Linie durch die Medien hierher. Schlechte Seifenopern (gibt es überhaupt gute?), Internet, Bücher, der Schulunterricht - wie eine Flut überschwemmen neue Ideen und Trends die Menschen. Nicht alles ist schlecht, doch in den Augen der Menschen ist alles gut, was nach weißer Haut, Geld und Fortschritt riecht, und somit wird es unreflektiert übernommen und imitiert. Die traditionellen Werte und Prinzipien werden über Bord geworfen, aber durch nichts Entsprechendes ersetzt, wodurch ein gefährliches Vakuum entsteht. Hierin liegt genau genommen eine große Chance, denn dieses Vakuum können wir mit biblischen Werten füllen. Im Rahmen unserer Recherchen werden wir aufdecken, welche traditionellen Werte der Otammari gut und biblisch sind, und können diese dann in unserem Bibelstudienmaterial entsprechend integrieren. Unser Ziel ist nicht, eine Kultur zu zerstören oder eine traditionelle durch eine westliche zu ersetzen. Unser Ziel ist es, die Weltanschauung und Kultur der Bibel vorzustellen damit die Menschen dann entscheiden können, ob es die Bessere ist.


Freitag, 23.01.09:
Ich werde mich daran gewöhnen. "Yovo, Yovo, bonsoir! Ça va bien? Merci!" (Weiße, Weiße, guten Abend ! Geht es gut? Danke!) Dieser gesungene Gruß (es ist mehr eine Leier) verfolgt alle Weißen überall dort, wo Kinder sind. Touristen mögen das ja ganz putzig finden, aber mit der Zeit geht das ziemlich auf die Nerven. Hier in unserem Viertel begegnet mir der Yovo-Yovo Singsang ziemlich selten, hier nennen mich alle Kinder "Tanti" . Aber es muss ein paar Neue geben, die mich noch nicht kennen und so empfängt mich die alte Leier heute Morgen, als ich auf dem Weg zum Markt bin. Schlechter Start. Dort angekommen wühle ich durch einen Haufen mit Secondhand Kleidung um zu sehen, ob ich vielleicht ein paar gute T-Shirts zu einem guten Preis erwische. Und prompt höre ich, wie eine Frau in Dendi über die "Batule" (weiße Frau) redet. Jedes Mal, wenn ich den Altkleiderhaufen durchsehe, muss irgendjemand das kommentieren. Als ob ich als Weiße kein Anrecht auf günstige Kleidung hätte oder kein Interesse daran haben dürfte. Ich zahle meine T-Shirts, gehe weiter (bereits leicht genervt) und kaufe getrockneten Fisch für den Kater. Die Fischfrau sagt, sie wüsste gerne, wo ich wohne, denn sie sucht eine Anstellung. Ich sage ihr, dass ich keine Stelle zu vergeben habe und sie meint, ich solle ihr eine suchen. Klar, kein Problem. Ein paar Ecken weiter kaufe ich neue FlipFops für Toussaint. Ein Mädchen steht neben mir und sucht nach etwas in ihrer Größe. Als ich bezahle sagt sie, ich solle ihr auch ein Paar kaufen. Ich sage "das nächste Mal" und mache, dass ich wegkomme, bevor mir der Kragen platzt. Ich werde mich nie daran gewöhnen.


Donnerstag, 22.01.09:
Catherine ist Witwe und schlägt sich mehr schlecht als recht durchs Leben, oft fehlt es ihr am Nötigsten. Sie hat einen Sohn, Christian, der etwa 15 Jahre alt ist. Damit hat er ein Alter erreicht, in dem er an den Zeremonien zum Eintritt ins Erwachsenenalter teilnehmen muss. Er muss die Zeremonien durchführen, bevor er zum ersten Mal mit einer Frau schläft. Und so bekam Catherine vor kurzem Besuch von Christians Onkel, der sie dringend aufforderte, Christian ins Dorf zu begleiten, damit er dort an den Initiationsriten teilnehmen kann. Die Tradition verlangt, dass sie ihn dorthin bringt. Catherine ist Christin, allerdings die einzige in der Familie. Auch Christian kommt nicht mehr mit ihr in den Gottesdienst. Sie erklärte dem Onkel, dass sie Christian nicht zu den Zeremonien begleiten kann, in denen Christian Satan anvertraut wird. Daraufhin drohte ihr der Onkel, dass er sie, wenn sie sich weigern würde, aus dem Haus verjagen würde und dann werde sie ja sehen, wo sie bliebe. Das Haus wurde von Christians Vater gebaut und ihm gehörte auch das Grundstück. Leider haben Catherine und ihr Mann nie standesamtlich geheiratet (wie nahezu alle nicht-christlichen Paare). Somit hat sie keinen gesetzlichen Erbanspruch und die Familie ihres Mannes hat, wenn es darauf ankommt, das Recht, sie zu vertreiben. Betet für Catherine, dass Christians Onkel und auch der Rest der Familie nicht weiter Druck auf sie ausüben mögen.
 
Mittlerweile mussten wir erfahren, dass Noellie (s. Eintrag vom 11.12.08) doch an den Zeremonien teilgenommen hat, ohne dass von der Familie Gewalt auf sie ausgeübt wurde. Diese Zeit der Zeremonien (sie finden alle 4 Jahre statt) ist immer ein enormer Prüfstein für die betroffenen Christen.