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Wochenbericht
 
Donnerstag, 14.04.11:
Während in Deutschland der Frühling auf dem Vormarsch ist lechzen wir hier nach Abkühlung. Es ist unglaublich heiß, jedenfalls für uns, die wir aus dem kühlen Deutschland gekommen sind. Wir sind ständig schlapp und müde, der Gang zum Markt oder ins Büro wird zu einem wahren Kraftakt. Es gab bereits ein paar vereinzelte Regenfälle und wir hoffen, dass es bald regelmäßiger regnen wird, damit diese schwüle Hitze endlich aufhört. Die goldene Kehrseite dieser Medaille sind die Mangos, die wie man sieht, nicht nur dem Menschen schmecken. 
 
Samstag, 09.04.11:
Heute machten wir einen Kondolenzbesuch in unserem „alten“ Viertel. Einer unserer früheren Nachbarn ist verstorben, ein Polygamist mit 2 Frauen und 13 Kindern.
Besonders mit einer der Frauen und ihren Kindern hatte ich ein recht enges Verhältnis, solange wir noch dort wohnten. Nach allem was wir wissen, hat sich der gute Mann zu Tode getrunken. Wir kannten ihn als einen starken Schnapstrinker und hatten ihn immer wieder vor den gesundheitlichen Gefahren gewarnt. Wenige Monate vor unserem Heimaturlaub war er schwer krank geworden, lag lange im Krankenhaus und bekam von den Ärzten eine klare Verwarnung, dass er mit dem Trinken aufhören müsste, wenn er noch eine Weile leben wollte. Er erholte sich wieder, und als ich wenige Tage vor unserer Abreise einen Besuch machte sagte er mir, dass es ihm viel besser ginge. Dann eines Tages Ende März kaufte er sich auf dem Markt Fleisch und Schnaps und verzehrte beides. Abends klagte er über unerträgliche Schmerzen. Nach zwei schlaflosen Nächten kam er ins Krankenhaus, wurde dort noch operiert und verstarb am nächsten Tag. Für seine Familie ist das ein tragischer Verlust.

 
 

 
Nur eine Tochter und ein Sohn sind bereits erwachsen und selbstständig, alle anderen leben noch bei den Müttern, der kleinste Sohn ist noch nicht ganz 2 Jahre alt. Was mich darüber hinaus stark bewegt ist die Einstellung der Hinterbliebenen. Für uns ist die Todesursache klar ersichtlich und, so schlimm es klingt, der Mann hat seinen Tod selbst verschuldet. Daraus müsste man nun eigentlich lernen, dass der lokal gebraute Schnaps ein todbringendes Gesöff ist, das unbedingt zu meiden ist. Nicht so im animistischen Weltbild. Da hat jedes Ereignis eine Ursache in der spirituellen Welt. D.h. wenn jemand stirbt (und wenn die Todesursache auch noch so offensichtlich ist), dann hat das ein anderer Mensch oder ein Geist zu verantworten. Entweder der Verstorbene hatte irgendein Opfer, eine wichtige Zeremonie unterlassen und wurde dafür von dem verärgerten Geist verflucht und mit dem Tod bestraft. Oder ein anderer Mensch hat ihn aus irgendwelchen Gründen verflucht. Die Familie lässt dann eine Geisterbefragung durchführen um herauszufinden, wer oder was hinter dem Todesfall steckt. Dann kann sie entweder Abhilfe schaffen (d.h. die versäumte Zeremonie nachholen) damit der Fluch des Geistes nicht auf die Kinder übergeht, oder sie kann Rache nehmen an demjenigen, der den Tod angeblich auf dem Gewissen hat. Das Fatale ist: damit erübrigt sich jegliche Konsequenz um in Zukunft einen solchen Tod zu vermeiden. Wenn unser Nachbar nicht am Alkohol, sondern an einem Fluch gestorben ist, braucht sich niemand einen Kopf zu machen, dass er vielleicht besser mit dem Trinken aufhören sollte. Man kann leben, mit seinem Körper und der Natur Raubbau treiben wie man will, unvorsichtig sein und leichtsinnig, es ist sowieso alles fremdbestimmt bzw. geisterbestimmt.
 
Sonntag, 03.04.11:
Geschafft. Wir sind gut angekommen, die Koffer sind ausgepackt und das meiste ist bereits verstaut. Die Hunde haben uns nach anfänglichem Gedächtnisschwund wiedererkannt und ins Haus gelassen. Die Kinder haben uns wie erwartet stürmisch empfangen und auch sonst ist eigentlich alles so, wie wir wie es verlassen hatten. Auch die Dinge, die ich in meiner verklärten Erinnerung ausgeblendet hatte, sind immer noch da: der Wassermangel, der allgegenwärtigen Staub, Stromausfall, Kakerlaken, Nachbars penetrante Hühner und die flüchtigen Bekannten, die uns für eine Zweigstelle der Weltbank halten. In der unteren Schreibtischschublade fand ich einen Mäusevorrat (Erdnüsse) und alle anderen stinkenden Anzeichen, dass hier jemand gewohnt hat. In der oberen Schreibtischschublade hatte eine Echse ihre Eier gelegt. Na denn: Willkommen zuhause!