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Montag, 09.05.11:
Steter Tropfen...füllt das Fass.
Unser Brunnen gibt mal wieder nichts mehr her und das Wasser aus dem Brunnen des benachbarten Kinderheimes hat oft auch eher die Farbe des hiesigen Hirsebieres. Und so schauen wir jeden Tag sehnsüchtig zum Himmel, ob sich da nicht vielleicht was zusammenbraut und unsere Regenwassertonne füllen wird. Die Erde braucht auch unbedingt regelmäßigen Regen, denn erst dann kann ausgesät werden. Wenn die Regenfälle zu spät einsetzen, ist die Regenzeit zu kurz für den Wachstumsprozess. Toussaint und die Jungs haben jedenfalls bereits ein großes Feld umgegraben und warten nur darauf, Erdnüsse, Sojabohnen und Mais säen zu können.
 
 
Donnerstag, 05.05.11:
Die Stadt Natitingou wurde gestern in ihren Grundfesten erschüttert. Für den Vormittag war eine Demonstration angesetzt, bei der die Bevölkerung gegen die schleppenden Vorbereitungen für die Festlichkeiten am 01.08.2011 aufmarschieren wollte. Der 1.August ist Tag der Unabhängigkeit und Nationalfeiertag in Benin. In jeder Stadt gibt es Umzüge und Veranstaltungen, doch in einer Stadt, jedes Jahr in einer anderen, finden die Feierlichkeiten in Anwesenheit des Präsidenten, seiner Minister und vielen anderen Honoratioren statt. In diesem Jahr soll Natitingou diese Ehre zukommen.
Um die Stadt dafür herzurichten, neue Straßen zu errichten, das große Stadium zu verschönern, Unterkünfte für die vielen zu erwartenden Gäste zu bauen usw. hatte die Stadt eine nicht unerhebliche Summe von der Regierung erhalten, doch seit Monaten ist nirgendwo ein Baufortschritt zu verzeichnen. Die Bevölkerung befürchtet, dass das Geld veruntreut wurde und dass Natitingou sich bis auf die Knochen blamieren wird. Die Demonstration selbst verlief ohne große Vorkommnisse, die Demonstranten sprachen beim Bürgermeister und beim Präfekten vor. Derartige Manifestationen finden häufig statt und werden als ein Bürgerrecht verstanden und akzeptiert. Doch am Rande der Demonstration wurden einige Motorräder, die am Straßenrand geparkt waren, von der Polizei beschlagnahmt. Als am Ende die Besitzer die Herausgabe ihrer Motorräder forderten wurde dies von einigen Polizisten zu Unrecht verweigert, woraufhin sich die aufgebrachte Menge gegen das Polizeirevier stellte. Eines der Motorräder gehörte einem Motorradtaxifahrer, und die fackeln in der Regel nicht lange. Steine flogen auf der einen Seite, Schlagstöcke und Tränengas auf der anderen. Die Situation eskalierte und entglitt den Polizeibeamten, die daraufhin völlig überreagierten und anfingen, scharf zu schießen. Am Ende wurde ein Mann (der Taxifahrer) getötet, etliche schwer verletzt und ein Kind von einem fliehenden Auto überfahren und ebenfalls tödlich verletzt.
Wir waren zu diesem Zeitpunkt zuhause und hörten plötzlich Schüsse und Schreie aus der Stadt und konnten nur vermuten, dass es mit der Demo zusammenhing. Später, als die Kinder aus der Schule kamen, erhielten wir so nach und nach weitere Informationen. Die Situation beruhigte sich aber schnell wieder und als ich am Nachmittag in die Stadt fuhr war außer einigen eingeschlagenen Scheiben beim Polizeirevier, verbrannten Reifen auf der Straße und vielen Glasscherben nichts mehr zu sehen. Am Abend wurde jedoch eine Ausgangssperre verhängt, um weitere Unruhen zu vermeiden, so dass unsere Gebetsstunde ausfallen musste. Seither hat sich entgegen anderslautender Gerüchte, dass sich die Angehörigen des Erschossenen und die Motorradtaxifahrer zusammenrotten und gegen die Polizei marschieren wollen nichts mehr ereignet. Der Polizeikommandant, der selbst abwesend gewesen war, entschuldigte sich bei der Bevölkerung für das Verhalten seiner Beamten. Und mir ist einmal mehr klar geworden, wie gut wir es hier in Natitingou haben. In tausend anderen Städten wäre dieses Ereignis zu einem Bürgerkrieg eskaliert.
 
Samstag, 30.04.11:
Heute war wieder Wahltag, diesmal wurden die Abgeordneten für das Parlament gewählt. Ursprünglich war diese Wahl für den 17.04. vorgesehen. Doch da die Präsidentenwahl ja zweimal vertagt worden war, rutschte auch dieser Termin nach hinten, durfte aber aus irgendwelchen Gründen nicht in den Monat Mai verschoben werden. Und so fiel der Wahltag ausnahmsweise auf einen Samstag, anstatt wie üblich auf einen Sonntag. Wir dachten uns da nichts dabei, bis der Pastor uns darauf hinwies, dass an einem Wahltag keine öffentlichen Veranstaltungen stattfinden dürfen, die die Leute am Wählen hindern könnten. Er riet uns deshalb, um jeglichen negativen Anschein zu vermeiden, den Gottesdienst zeitlich vorzuverlegen und möglichst bei Öffnung der Wahllokale abzuschließen. Und so war Gottesdienstbeginn gestern um 7h00. Zu früh für mich, denn ich war erst am Freitagabend von einer anstrengenden Reise zurückgekommen. Wir feierten deshalb mit einigen Kindern des Kinderheimes um 9h00 in unserer Lernhütte Gottesdienst. Interessanterweise waren aber anscheinend fast alle Gemeindeglieder pünktlich um 7h00 anwesend, während an normalen Sabbaten die Sabbatschule um 9h00 oft genug vor leeren Bänken eröffnet wird und die Leute erst eine halbe Stunde später eintrudeln....