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Montag, 07.05.12:
Das Beniner Schulsystem versinkt im Chaos. Die alljährlichen Streiks der Lehrer, den Zoff mit der Regierung um irgendwelche Sonderzahlungen sind wir ja schon gewöhnt. Dieses Jahr nimmt die Geschichte aber schärfere Züge an. Es begann mit einer Erklärung des Präsidenten, dass die Lehrer das Geforderte nicht erhalten würden, und wenn sie bis in alle Ewigkeit streiken würden und das Schuljahr annulliert werden müsste. Die Streikenden sollten sich ab sofort auf Gehaltskürzungen einstellen. Kurz darauf bezogen bewaffnete Polizisten Position vor den Schulen, die die Anwesenheit der Lehrer kontrollieren sollten und dafür sorgen sollten, dass die Lehrer, die nicht streiken wollen, von ihren streikenden Kollegen nicht an der Arbeit gehindert werden. Was ein Kind dabei empfindet, wenn es an diesen Gewalt demonstrierenden Uniformierten vorbei in seine Schule geht spielte dabei offensichtlich keine Rolle. Als Folge gingen die Lehrer in die Schule, setzten sich in die Klassenzimmer und lasen oder spielten mit ihren Handys, aber unterrichtet wurde nicht. Dann kam der erste Zahltag mit Gehaltkürzungen und es war ein einziger Aufschrei. In der Folge gingen einige gar nicht mehr zur Arbeit mit der Begründung, dass sie ohne Gehalt keinen Sprit kaufen könnten und sie ohne Sprit nicht in die Schule fahren könnten. Andere gaben klein bei und nahmen den Unterricht wieder auf. Dann wurden die Osterferien annulliert mit der Begründung, dass die Kinder schon genug unterrichtsfreie Zeit gehabt hätten. Am nächsten Tag hieß es von einer Seite, die Ferien würden nur gekürzt, von einer anderen Seite, die Ferien würden verschoben. Es war ein einziges Chaos. Am Ende hatten einige Schulen Ferien und andere nicht. Die Situation war völlig unübersichtlich und die Kinder wussten morgens nach dem Aufstehen oft nicht, ob sie nun zur Schule mussten oder nicht. Für die Eltern und Aufsichtspersonen war es noch komplizierter, da notorische Schulschwänzer nun natürlich leichtes Spiel hatten und mit der Begründung: „Wir haben heute keine Schule“ zuhause bleiben konnten. Woher soll man wissen, ob er die Wahrheit sagt oder nicht? In den vergangenen zwei Wochen fanden die Direktoren hier in Nati einen neuen Weg, um ohne Sanktionen den Unterrichtsboykott fortzusetzen: die setzten erst im 1. und dann im 2. College der Stadt eine Kulturwoche an. Wir kennen diese Veranstaltung unter dem Namen Schulfest. Üblicherweise findet das am Ende des Schuljahres statt, und zwar von Donnerstag bis Sonntag. Doch diesmal wurde das Fest für eine ganze Woche angesetzt und gut einen Monat, bevor die Prüfungen überhaupt erst anfangen. Gleichzeitig peitschen die Lehrer, wenn denn mal Unterricht ist, den Stoff durch, diktieren nur noch Fakten und erklären nichts mehr, weil hinten und vorne die Zeit fehlt. Wir können uns auf eine schlechte Jahresschlussbilanz einstellen. Oder, was fast noch schlimmer ist, die Kinder werden in die nächste Klasse versetzt, ohne eigentlich das Klassenziel erreicht zu haben.

 
Samstag, 28.04.12:
Heute waren wir seit langem mal wieder in Toucountouna, einer kleinen Gemeinde 25 km nördlich von hier. Das hängt mit dem neuen Bedienungsplan zusammen, den die Gemeindeleiter unseres Bezirkes seit diesem Viertel einsetzen. Bisher war es so, dass jede Gemeinde seinen eigenen Predigtplan hat und Geschwister aus der jeweiligen Gemeinde jeden Sabbat predigen, von Ausnahmen, wie dem Besuch des Pastors, abgesehen. Für uns in Nati ist das kein Problem, wir haben ca. 5 Personen, die sich mit dem Predigen abwechseln. Doch in Toucountouna und auch einigen anderen kleinen Gruppen sind es nur der jeweilige Evangelist und vielleicht eine andere Person, die Woche für Woche den gesamten Gottesdienst bestreiten. Das ist auf die Dauer sehr ermüdend, für den Evangelisten wie auch für die Zuhörer. Und so kamen die leitenden Brüder nun auf die Idee, einen Bezirksplan zu erstellen und die potentiellen Prediger auf die Reise zu schicken. Jemand aus Nati predigt in Koutié, jemand aus Koutié predigt in Boukoumbé, der Evangelist aus Toucountouna predigt in Copargo usw. Das Programm findet allseits Zustimmung und so kam es eben, dass ich gestern in Toucountouna eingeteilt war. Die Gemeinde hat seit etwa einem Jahr eine eigene Kapelle, die jedoch noch nicht fertig gestellt ist. Trotzdem findet dort bereits der Gottesdienst statt. Die Bänke sind von der Gemeinde Natitingou geerbt, Stühle für das Podium werden jeden Sabbat vom Haus des Evangelisten zur Gemeinde getragen. Es ist eine kleinen Gruppe, die sich dort versammelt, die Arbeit in diesem animistischen Dorf ist sehr schwierig. Trotzdem hat es mir Freude gemacht, dort zu predigen. Die Leute waren sehr aufmerksam und nahmen aktiv an der Predigt teil. Wir hoffen sehr, dass dieser neue Plan es dem Evangelisten erleichtert, Menschen zum Sabbatgottesdienst einzuladen, und dass seine Arbeit dadurch neu belebt wird.

 

 

 

 

 
Sonntag, 22.04.12:
Heute hatten wir unseren ersten - ja, ich weiß gar nicht wie ich es nennen soll, vielleicht Kulturrat? Wir hatten alle Otammari unserer Gemeinde zu einer offenen Diskussionsrunde eingeladen und ihnen dabei zwei Fragen gestellt:
 
1. Welche Bevölkerungsschicht (Geschlecht, Altersstufe, Bildungsschicht) hat am meisten Einfluss auf die Gesellschaft? Auf welche Gruppe sollte die Evangelisationsarbeit primär abzielen, da sie automatisch andere mitziehen werden, wenn sie erst einmal gewonnen sind?
 
2. Über welches traditionelle Medium werden üblicherweise wichtige Informationen, Werte, Lebensprinzipien usw. übermittelt? Über Geschichten, Lieder, Bilder, Musik, Bücher, direkte Gespräche? Welche Methode wäre geeignet, um biblische Grundsätze auf eine Weise zu vermitteln, die den Menschen vertraut und bedeutungsvoll ist?
 
Das sind die beiden Fragen, auf die wir als Team Antworten finden müssen, bevor wir Material entwickeln können, mit der die Missionsarbeit in unerreichten Dörfern begonnen werden kann. Und wer könnte diese Fragen besser beantworten als die Leute selbst? Die erste Frage konnten wir zur Zufriedenheit aller beantworten und fanden nach einigem Hin und Her tatsächlich einen Konsens. Bei der zweiten Frage hatten unsere Geschwister allerdings Schwierigkeiten, unsere Gedankengänge nachzuvollziehen. Einige deuteten an, dass sie mit Müh und Not ihre alten Traditionen hinter sich gelassen haben und nicht verstehen, wieso wir da jetzt drin rumstochern wollen. Diejenigen, die schon etliche Jahre zur Gemeinde gehören und evangelistisch tätig sind, hatten Probleme, von den traditionellen adventistischen Ansätzen (Großevangelisationen, individuelle Bibelstunden) wegzudenken und andere, der Kultur eher vertraute Methoden ins Spiel zu bringen.
Trotzdem war es ein gutes Meeting und es wird sicher nicht das einzige bleiben. Denn einerseits brauchen wir die Hilfe und den kulturellen Einblick unserer Geschwister, andererseits wollen wir ihnen helfen, neue Evangelisationsansätze zu entwickeln, damit sie ihre Freunde und Verwandte auf einen Weise ansprechen können, die sie auch erreicht. Und so planen wir in Gedanken schon das nächste Treffen, in dem dann aber erst einmal eine generelle Einführung erfolgen soll, damit die Leute besser nachvollziehen können, in welche Richtung der Zug eigentlich fährt. Wir freuen uns jedenfalls, dass wir endlich fahren, nachdem wir jahrelang immer nur die Reise geplant und das Ziel studiert haben.