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Dienstag 05.06.12:
Ich habe neulich ein hervorragendes Buch gehört. (Obwohl ich ja, wie neulich berichtet, zum Hörbuchfan geworden bin, klingt dieser Satz trotzdem noch grundfalsch.) Leider gibt es das Buch bisher nur auf Englisch, aber wer Englisch kann und sich in irgendeiner Form mit Entwicklungshilfe und Missionsarbeit beschäftigt, sollte es wirklich lesen oder hören. "When helping hurts" von Steve Corbett und Brian Fikkert.
Ich hab unglaublich viel gelernt, wie viel man durch gut gemeinte, aber falsch ausgeführte Hilfe kaputtmachen kann. Ich kann Euch hier natürlich nicht das ganze Buch erzählen, aber am Anfang kamen ein paar Erklärungen, die ich sehr interessant, oder sagen wir eher erschreckend fand.
Wusstet Ihr, dass im Jahre 1820 das Einkommen der Reichen "nur" viermal so hoch war wie das der Ärmsten? Also z.B. ein Tageslohn von $2,50 im Vergleich zu $10. In 2010 dagegen verdiente der Durchschnittsamerikaner (nicht die Reichsten!) $90 pro Tag, während 2,6 Mrd. Armer (40% der Weltbevölkerung) nur $2 verdienten und 1 Mrd. sogar von $1 leben musste. Mit anderen Worten, der Normalverdiener hatte fast 100mal so viel wie die Ärmsten. Wie viel die Reichsten hatten wollen wir vielleicht gar nicht wissen. Muss man da noch irgendjemanden davon überzeugen, dass auf dieser Welt eine ganze Menge schief läuft?

 
Mittwoch 30.05.12:
Basile ist frei!
Bereits vor einigen Wochen wurde ihm vom Gericht mitgeteilt, dass er für eine Zahlung von 1 Mio Francs CFA auf freien Fuß gesetzt würde. Ich hab noch nicht so richtig verstanden, um was es sich bei dieser Zahlung handelt. Auf Französisch heißt es "Caution", was ja eigentlich Kaution bedeutet. Aber eine Kaution bezahlt man, um bis zur Verhandlung freizukommen, gewissermaßen als Sicherheitsleistung. Kriegt man das Geld dann hinterher eigentlich wieder? Hier jedenfalls nicht, und eine Verhandlung gibt es auch nicht mehr. Dann dachte ich erst, es ist eine Art Bestechungsgeld. Aber es muss bei der Staatskasse eingezahlt werden, so richtig mit Beleg und so. Bleibt noch eine Strafzahlung, aber das kann es eigentlich auch nicht sein, denn er wurde ja noch gar nicht verurteilt. Trotzdem ist diese Zahlung gängige Praxis. Vielleicht eine Art, schnell Fälle zu "lösen", die Gerichte zu entlasten und die Staatskasse zu füllen?
Er sollte jedenfalls 1 Mio bezahlen, doch das ist ein Haufen Geld, und selbst wenn alle zusammenlegen, ist das nur schwer machbar. Doch dann kam von einer ganz unerwarteten Seite, von einer Dame aus Frankreich, die Nachricht, dass sie 600.000 F beisteuern würde. Mit vereinten Geldbeuteln konnten Freunde und Familie dann den restlichen Betrag aufbringen. Gestern Morgen war Toussaint dann unterwegs. Vom Gericht zur Staatskasse und wieder zurück, dann zum Gefängnis. Anschließend mussten wir nur noch abwarten, bis der Gerichtspräsident telefonisch dem Gefängnis Bescheid geben würde, was er freundlicherweise auch machte, sobald er aus dem Gerichtssaal draußen war. Gegen 14h war Basile zuhause. Wir sind sehr froh und danken Gott für diese unerwartete Lösung.
 
Dienstag 22.05.12:
Meetings, meetings, meetings. Das erste war am Sonntag vor einer Woche, da tagte zum zweiten Mal unser "Kulturrat". Diesmal mit weniger Leuten, aber besserem Verständnis. Zu Beginn machte unser Mitarbeiter Hyacinthe eine kleine Einführung zu AFMs Ansatz. Durch einfache Beispiele konnten wir schnell verdeutlichen, dass es wichtig ist, die Kultur und Tradition der Menschen, die man für Christus erreichen möchte, zu kennen und zu berücksichtigen. Denn nur so geht man sicher, dass die Botschaft richtig verstanden wird. Nachdem dieser Grund gelegt war hatten wir eine sehr produktive Diskussion. Die Frage war diesmal:
Wo liegen die wunden Stellen in dem Glaubensgebäude der Otammari, auf die wir den Finger legen können?
Welche Frage können wir stellen um die Otammari zu der Erkenntnis zu führen, dass der Animismus keinen Sinn macht und dem Menschen nur schaden soll? Welche brennenden Fragen lässt ihre Tradition offen?
Wir konnten eine ganze Reihe von guten Antworten sammeln. Hier ein paar Beispiele:
Wie kommt es, dass Kinder und Jugendliche gezwungen werden, an den Initiationszeremonien teilzunehmen mit der Begründung, dass sonst die Vorfahren sehr erbost wären, wenn eben diese Vorfahren bei genauem Hinsehen die Zeremonien selbst nicht durchgeführt haben, da sie erst relativ spät in der Geschichte eingeführt wurden?
Wie kommt es, dass bestimmte Zeremonien früher mit einem Hahnopfer und ohne Beteiligung Dritter durchgeführt werden konnten, für dieselbe Zeremonie der Vorfahre heute aber angeblich verlangt, dass Ochsen, Ziegen und alles mögliche Federvieh geschlachtet werden, das ganze Dorf eingeladen wird und ein mehrtägiges Fest organisiert wird, das an die 1000 Euro kostet und für das sich die Leute auf Jahre hinaus verschulden?
Auf der Grundlage dieser Fragen werden Hyacinthe und wir nun Geschichten entwerfen, mit denen er später in die Dörfer gehen wird, um damit seine Zuhörer aufzurütteln und sie offen zu machen für das, was wir ihnen später anbieten wollen: einen Glauben, der keine wesentlichen Fragen offen lässt und der nicht voller Unstimmigkeiten, Widersprüchlichkeiten und negativer Auswirkungen für den Menschen ist.
Nachdem diese Frage fürs Erste ausreichend geklärt war verselbständigte sich die Diskussion fast und es wurde eine Frage nach der anderen aufgeworfen. Wenn ich einen Deal mit dem Fetisch gemacht habe, das Erbetene erhalten habe und danach Christ geworden bin, muss ich dann meine Seite der Abmachung noch einhalten? Wie können wir mit dem Druck der Familie umgehen, dass wir diese oder jene Zeremonie durchführen sollen? Sollten wir die Fetische eines neuen Gläubigen zerstören? Fragen über Fragen wurden von den Teilnehmern gestellt und längst nicht alle konnten geklärt werden, denn irgendwann knurrten die Mägen so laut, dass wir abbrechen mussten. Es war aber toll mitzuerleben, wie engagiert alle diskutierten, weil plötzlich ein Forum geschaffen war, wo sie all diese Fragen, mit denen sie sich schon lange beschäftigen, ausgesprochen werden konnten. Als Hyacinthe dann fragte, ob sie an weiteren Treffen interessiert wären, kam ein lautstarkes JA.
Am darauffolgenden Mittwoch kam dann unser Supervisor aus den USA hier an und wir hatten 5 gemeinsame Tage, die (außer Sabbat) ebenfalls angefüllt waren mit Meetings. In erster Linie ging es dabei um strategische Planungen für die nächsten Monate und Jahre und um konkrete Zielsetzungen. Damit will ich Euch nun nicht langweilen. Doch ein entscheidender Punkt den wir beschließen konnten und über den wir uns sehr freuen ist die Zusammenarbeit mit einer Entwicklungshilfeorganisation unserer Kirche. Mit ihrer Hilfe werden wir in ausgewählten Dörfern Projekte initiieren, die entweder Einkommen schaffen oder Bildung erzeugen und so die Lebensqualität der Menschen entscheidend verbessern sollen. In denselben Dörfern wollen wir dann auch die Evangelisierung beginnen. Durch die Projekte sollen die Dorfbewohner in die Lage versetzt werden, unabhängig von anderen Motiven (wie z.B. Suche nach materiellem Gewinn) selbständige und bewusste Entscheidungen zu treffen, wenn sie mit der biblischen Botschaft konfrontiert werden. All das steckt noch in den Anfängen der Planungsphase, aber wir sind sehr gespannt und hoch motiviert. Allerdings müssen wir jetzt erst einmal mit einem deutlich verkleinerten Team arbeiten, da Suzy heute in den Heimaturlaub fliegt und auch unsere Stundentenmissionarin Naomi nachhause fliegt, nachdem ihre Zeit bei uns leider schon zu Ende ist. Beide können übrigens auf dem Missionskongress in Blaubeuren vom 06. - 10.06. angetroffen werden.