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Mittwoch, 13.06.12:
Tchantangou. Goldgräberstadt, Stadt des schnellen Geldes, Stadt des schnellen Todes. Ich bin noch nie dort gewesen, obwohl es nur ca. 25 km von hier entfernt liegt. Aber was ich von dort höre reicht mir, um jedem davon abzuraten, dort sein Glück zu versuchen. In unserer Gegend führen etliche Bäche und Flüsse Gold, so dass in vielen Dörfern am Fluss nach Gold geschürft wird. Aber in Tchantangou geht man richtig unter die Erde. Die Männer, oft noch halbe Jungs, kriechen in praktisch ungesicherte Stollen um dort mit der Taschenlampe zu graben. Immer wieder stürzen Stollen ein und begraben Männer unter sich. Die Kontrollbehörden sehen tatenlos zu, sicher haben sie auch ihren Anteil am Kuchen. Auch Tchantangou liegt an einem Bach, dessen Bett immer wieder umgeleitet wird, damit man dann im alten Bachbett nach angeschwemmtem Gold suchen kann. Doch die Natur hat sich wieder einmal gerächt. Gestern, als wir in Natitingou starken Regen hatten, blieb Tchantangou trocken und die Goldgräber ahnungslos. Die Männer stiegen bzw. krochen in ihre Löcher. Doch dann schwoll blitzschnell der Bach, floss zurück in sein altes Bett und spülte die Wassermassen geradewegs in den Stollen, wo 8 Männer ertranken bzw. begraben wurden.

 
Montag, 11.06.12:
Der gestrige Tag war nicht nur sehr, sehr lang, er wird auch in die Geschichte der Gemeinde Natitingou eingehen. Genaugenommen war es nämlich der Geburts-Tag der Gemeinde Natitingou. Bisher waren wir nur eine Gruppe, nun sind wir offiziell die 18. Adventgemeinde Benins. Bereits am Donnerstag- und Freitagabend saßen wir als Gemeindeglieder mit dem Vorsteher und dem Sekretär der Benin-Vereinigung sowie unserem Bezirkspastor zusammen, um die Gliederliste zu erstellen und die Verantwortlichen für die jeweiligen Bereiche in der Gemeinde zu benennen. Am Sabbat war dann unsere Gemeinde zum Bersten gefüllt. Die 10 zusätzlichen Bänke, die ich vom Kinderheim hergekarrt hatte, waren alle besetzt. Viele Geschwister aus umliegenden Gruppen waren gekommen, und viele Freunde waren der Einladung zu diesem besonderen Gottesdienst gefolgt. Der Morgen begann wie gewohnt mit der Bibelschule. Nach der Pause begann dann die Zeremonie der offiziellen Gemeindegründung. Dabei wurden auch die beiden Gemeindeältesten und die Diakone eingesegnet. Außerdem wurde für alle Verantwortlichen der verschiedenen Bereiche ein Segensgebet gesprochen. Im Anschluss daran hielt die Leiterin des Bereiches „Kinder“ bei der Vereinigung eine sehr gute Predigt. Doch damit war der Vormittag noch nicht zu Ende, denn jetzt gab es noch eine Taufe mit 9 Täuflingen. Zwei der Täuflinge, ein Ehepaar, waren aus dem Neulandprojekt Toucountouna, 25 km nördlich von Natitingou, zwei aus der Gemeinde Natitingou, die anderen aus umliegenden Gruppen. Ich habe mich besonders gefreut, dass zwei Mädchen „meiner“ Taufklasse getauft wurden.

 

 

 

 

 
Als gegen 14h der Vormittagsgottesdienst schließlich zu Ende war, freuten wir uns alle über das von unseren Frauen zubereitete Essen. Gott hatte unsere Gebete erhört und den Himmel an diesem Mittag von Regenwolken freigehalten. Wir haben ja keine Nebenräume, und schon gar nicht für solche Massen, so dass alle im Freien unter den Bäumen auf Bänken saßen, um ihr Essen zu sich zu nehmen. Um 16h ging es dann mit einer Kindersegnung von zwei Babys weiter. Im Anschluss daran feierten wir noch zusammen Abendmahl und schließlich gab es noch einige interessante Geschichten des Evangelisten, der die Gruppe Natitingou im Jahre 1988 ins Leben gerufen hatte. Gegen 18h war dann auch die Nachmittagsveranstaltung zu Ende und wir waren alle ziemlich geschafft, aber auch dankbar, dass alles gut über die Bühne gegangen war.
 
Freitag, 08.06.12:
Noch mal etwas Interessantes aus dem Buch "When helping hurts".
Wie würdet Ihr Armut definieren? Auf der Internetseite www.armut.de hab ich Folgendes gefunden:
"Absolute oder extreme Armut bezeichnet nach Auskunft der Weltbank eine Armut, die durch ein Einkommen von etwa einem Dollar (neuerdings 1,25US$) pro Tag gekennzeichnet ist. Von relativer Armut spricht man in Wohlstandsgesellschaften, in denen es absolute Armut praktisch kaum gibt, wohl aber eine arme "Unterschicht". Als relativ arm gilt hier derjenige, dessen Einkommen weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens beträgt.
Hier wird Armut also an der Einkommenshöhe festgemacht, und das finden wir irgendwie auch logisch. Interessanterweise definieren die Armen selbst Armut ganz anders. Hier einige Auszüge aus dem Buch:
"Für einen Armen ist alles schrecklich - Krankheit, Demütigung, Scham. Wir sind Krüppel; wir fürchten uns vor allem; wir sind von allen anderen abhängig. Niemand braucht uns. Wir sind Müll, den jeder loswerden will".
"Seit zwei Jahren haben wir keine Feiertage mit anderen gefeiert. Wir können es uns nicht leisten, andere einzuladen und es ist uns peinlich, andere zu besuchen ohne ein Geschenk mitzubringen. Diese Kontaktarmut lässt einen depressiv werden, führt zu einem ständigen Gefühl des Unglücklichseins und zu einem geringen Selbstwertgefühl."
"Wenn jemand arm ist, hat er nichts zu sagen in der Öffentlichkeit, er fühlt sich minderwertig. Er hat kein Essen, keine Kleidung, keinen Fortschritt in der Familie."
"Arme haben ein Gefühl der Hoffungslosigkeit und sind unfähig, sich Gehör zu verschaffen."
Bei Armut geht es also um sehr viel mehr als um materiellen Mangel. Arme sprechen von Scham, Machtlosigkeit, Demütigung, Angst, Hoffnungslosigkeit, Depression, soziale Isolierung, Sprachlosigkeit. Wenn man diesen Gedanken weiterspinnt wird klar, dass erstens das Problem allein mit materieller Hilfe nicht zu lösen ist, und dass zweitens auch Menschen, die keine finanziellen Mittel haben, Armen ihre Würde und ihren Platz in der Gesellschaft wiedergeben können. Das gilt übrigens in Benin genauso wie in Deutschland.