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Dienstag, 18.09.12:
Drei Wochen Funkstille. Soviel zum Titel "Wochenbericht"...
Ich hatte Malaria, Toussaint eine fiebrige Erkältung, Maggi und die Kinder sind gesund aus Norwegen zurückgekommen. Mein Laptop hat zwischendurch mal gestreikt, der Drucker auch, und die Internetverbindung war auch eine Weile so gut wie weg. Jetzt geht alles wieder. Wir treffen uns weiterhin jeden Montag bei uns in der Hütte zur Leiterschulung. Jason, Hyacinthe (unser einheimischer Mitarbeiter) und ich wechseln uns mit dem Unterrichten ab, Toussaint bekocht uns. Echte Teamarbeit eben. Sonntags wird der Unterrichtsstoff vorbereitet, Dienstags ordne ich die Notizen und Ergebnisse der Diskussionen und tippe sie auf französisch und englisch in den Computer ein, damit die Teilnehmer am nächsten Montag Kopien haben können und wir vor allem ordentliche Aufzeichnungen für den nächsten Kurs haben. Dazu kommen noch die Aufgaben für die Gemeinde, längerfristige Planungen und Vorbereitungen für die Schulung und ein paar andere Aktivitäten, da ist die Woche immer schnell um. Ach ja, wollt Ihr wissen, wie eine Maracuja aussieht? - So!
Strutzelsauer und nur mit einem Löffel Zucker genießbar, aber höchstaromatisch. Toussaint begnügt sich mit dem guten Duft, ihm ist es sogar mit Zucker zu sauer.

 

 

 
 
Samstag, 25.08.12:
Kamarou, unser Sorgenkind. In der ersten Jahreshälfte wuchs in uns der Verdacht, dass er die Schule schwänzt. Viel zu oft war er während der Unterrichtszeiten zuhause und behauptete, seine Lehrerin sei krank, verreist, nicht zum Unterricht erschienen, hätte sie früher nachhause geschickt und was weiß ich noch alles. Einige Gründe die er anführte, waren so daneben, dass es offensichtlich war, dass da was nicht stimmte. Eines Nachmittags im Juni schnappte Toussaint sich Kamarou, als der sich angeblich auf den Weg in die Schule machten wollte und sagte: "Ich bring Dich hin". Als sie an der Schule angekommen waren und über den Hof auf das Schulgebäude zufuhren wollte Kamarou tatsächlich abspringen und davonrennen, doch Toussaint konnte ihn festhalten. Die Kinder seiner Klasse schrien „Schaut mal wer da ist! Der kleine Bandit!“ Toussaint ging mit ihm zu seiner Klasse um mit der Lehrerin zu reden. Sie hatte Kamarou tatsächlich seit Wochen nicht gesehen, sie hatte sogar schon seinen Namen von der Schülerliste an der Tafel ausgewischt!

 
Von den 4 Klassenarbeiten, die die Klasse während des Schuljahres geschrieben hatte, hatte er nur eine mitgeschrieben. Damit war klar, dass er nie den Notendurchschnitt für die Versetzung schaffen würde. Das Schuljahr war fast zu Ende, und Toussaint und die Lehrerin stimmten darin überein, dass es keinen großen Sinn machte, ihn für die letzten Wochen noch in die Schule zu zwingen. Und so nahm ihn Toussaint unter seine Fittiche. Jeden Morgen, wenn die anderen zur Schule gingen, musste er hier erscheinen und mit Toussaint aufs Feld gehen oder irgendwelche anderen Arbeiten erledigen. Gleichzeitig beauftragten wir Albert damit, jeden Tag mit ihm Lesen zu üben. Im Rechnen ist er nicht ganz so schlecht, aber Lesen kann er überhaupt nicht. Nach dem jetzigen Stand kann er zum Schuljahresbeginn nicht einmal die Klasse wiederholen, sondern muss noch weiter zurückgestuft werden. Wir steckten uns also das Ziel, dass er bis zum Ende der Ferien tüchtig aufholt. Doch das ist leichter gesagt, als getan. Immer wieder ist er unauffindbar, wenn Albert mit ihm arbeiten will. Die Fortschritte sind schleichend und selbst Albert verliert manchmal die Lust, mit ihm zu arbeiten. Unzählige Male haben wir mit ihm geredet und ihm klarzumachen versucht, dass seine Zukunft verpfuscht ist, wenn er nicht in die Schule geht, aber es fruchtet nicht.
Kamarou ist kein Einzelfall, weder im Kinderheim noch in unserem Stadtviertel. So viele Kinder haben keine Orientierung, keine Motivation, kein Ziel, weil sie von frühester Kindheit an die einfachsten Dinge und Disziplinen nicht gelernt haben. Sie werden nicht geführt und sind sich selbst überlassen, womit sie natürlich total überfordert sind. Wo es geht, versuchen wir einzugreifen und gegenzulenken, aber für manche scheint es schon fast zu spät zu sein.
 
Sonntag, 19.08.12:
Gestern waren wir in Boukombé zum Gottesdienst. Ich war dort zur Predigt eingeteilt, Toussaint hat mich natürlich begleitet, und auch Jason, der ja im Moment Strohwitwer ist, hat sich uns angeschlossen. Die Gemeinde ist relativ klein und etwa die Hälfte der Glieder sind Schüler, die im Moment alle in den Ferien sind. So war es ein recht familiärer Gottesdienst. Ein älterer Bruder, Thomas, berichtete ein Erlebnis, das uns doch alle sehr betroffen gemacht hat. In der vergangenen Woche hatte er einen alten, kranken Mann besucht. Dieser Mann ist Christ und gehört einer evangelikalen Kirche an. Seit Wochen ist er krank und wurde bisher von seiner Tochter in Natitingou versorgt, die ebenfalls Christin ist. Nun verlangten die Familienangehörigen aus Boukombé, ihn "nachhause" zu bringen, damit sie verschiedene Zeremonien mit ihm durchführen könnten, die für seine Genesung erforderlich seien. Der Alte stimmte halbherzig zu. Als nun Thomas in besuchen kam fragte er den Alten, ob er mit ihm beten dürfe, was der Alte freudig bejahte. Doch als Thomas zum Gebet ansetzte, kam ein Familienangehöriger des Alten mit einem Stock und schlug ihm über den Kopf! Mit den Worten „wochenlang war der Alte in Nati und Ihr Christen konntet ihn nicht gesund machen. Jetzt wollen wir mit unseren Methoden arbeiten, also lasst uns in Ruhe mit Euren Gebeten!“ wurde Thomas aus dem Haus gejagt. Er wurde am Ohr und am Auge verletzt, was auch gestern noch gut sichtbar war.
Benin steht beim Verfolgungsindex ziemlich weit unten, wir können hier frei unseren Glauben ausleben und sind dafür Gott sehr dankbar. Nichts desto trotz gibt es einige Gegenden, und Boukombé, eines der Zentren der Otammari gehört dazu, wo christliche Evangelisierung nicht immer willkommen ist. Besonders jungen Menschen, die Christen geworden sind, erfahren von ihren Familienangehörigen oft Repressalien. Deshalb wollen wir mit unseren Bemühungen vor allem auf die mittlere männliche Generation abzielen. Die Männer dieses Alters können relativ freie Entscheidungen treffen und dann ihrerseits die ältere und auch die jüngere Generation positiv beeinflussen.