Sonntag, 24.01.10:
Nein, das ist kein Puzzle-Wettbewerb,
sondern ein ganz normaler Sonntag auf unserer Terrasse. Dank einiger lieber Freunde haben wir jetzt ein ganzes Sortiment von Puzzlespielen und
die Kinder des Waisenhauses sind mit stundenlanger Ausdauer dabei, ihre Puzzle-lose Kindheit nachzuholen. Und so sieht man Oberstufenschüler
hoch konzentriert über einem 48-Teile Puzzle gebeugt bis sie nach einer Ewigkeit triumphierend ausrufen: „Ich hab’s geschafft!“. Wissen die
Kinder in Deutschland eigentlich, welches Vorrecht sie haben, mit all diesen Dingen aufwachsen zu können? Damit meine ich gar nicht so sehr
die Tatsache, dass sie mit einer Flut von Spielsachen verwöhnt sind, das ist ja nur bedingt positiv. Ich meine vielmehr den Vorteil, mit
vielen Spielen so ganz nebenbei ihr Gehirn trainieren und viele Fertigkeiten entwickeln zu können. Dieses Privileg haben die meisten beniner
Kinder nicht. Und so macht es richtig Spaß zu beobachten, wie sie diese Spiele jetzt auskosten, und wie sie sich langsam vom 48- zum 200-Teile
Puzzle hocharbeiten.
Samstag, 23.01.10:
Wie viele Wörterbücher braucht man zur Vorbereitung einer Pfadfinderstunde mit dem Thema Ökologie? Mindestens vier, dazu noch verschiedene Lexika und Schulbücher. Eigentlich ist das Thema gar nicht so kompliziert und ich hab das alles auch schon mal in der Schule gelernt. Aber das ist ein gefühltes Jahrhundert her. Eric hat mich zwar mit genügend Material versorgt, aber es ist auf Englisch und unterrichten muss ich auf Französisch. Dazwischengeschaltet ist ein Gehirn, das immer noch am besten Deutsch versteht. Somit ist die babylonische Sprachenverwirrung fast perfekt und die Knoten können nur mithilfe der genannten vier Wörterbücher gelöst werden. Das
Knotenabzeichen kommt nämlich erst später dran.
Eric, unser Studentenmissionar hat uns endgültig verlassen. Er befindet sich bereits in Cotonou und wird morgen Abend in den
Flieger Richtung Kälte steigen. Er fehlt uns jetzt schon. Nicht nur, aber unter anderem weil er als Pfadfinderleiter eine
hervorragende Arbeit geleistet hat und wir jetzt ganz schön zu tun haben werden, diese fortzusetzen. Niemand aus der Gemeinde
Natitingou hat wirklich die Zeit, sich voll auf die Pfadfinderarbeit zu konzentrieren, da wir alle schon so viele andere Dinge
zu tun haben. Doch mit vereinten Kräften und Gottes Hilfe werden wir es schaffen. Und so kommt mir im Moment die Ehre zu, die
Senioren auf das Abzeichen "Ökologie" vorzubereiten und dabei dreisprachig mein eigenes Gedächtnis zu diesem Thema aufzufrischen.
|
|
Donnerstag,14.01.10:
Heute musste ich aufs Finanzamt. Ja, das gibt’s auch hier in Benin (sie sind überall!!!). Unsere Kirchengemeinde hatte wieder
einen Steuerbescheid bekommen für das ehemalige Wohngebäude auf unserem Grundstück. Also wie in den Vorjahren wieder hin und
erklären, dass das Gebäude nicht zu Wohnzwecken genutzt wird sondern für den Kindergottesdienst, und dann ist es steuerfrei.
Dürfte wohl kein Problem sein. Behördengänge machen mir in der Regel kein Kopfzerbrechen und ein Gang zum Finanzamt ist ja
gewissermaßen ein Heimspiel! Und so wollte ich das auch mal eben zwischen Meningitisimpfung und Wochenmarkt erledigen. In der
Einganshalle erst mal gähnende Leere, von einer ganzen Batterie zugestaubter Mopeds mal abgesehen (Dienstfahrzeuge? Konfisziert?).
Schalter gut verschlossen, Theke unbesetzt. Nachdem ich einen Moment blöd rumstand kam eine Stimme aus einem Büro in der hinteren
Ecke und eine Dame bat mich nach hinten. Ich legte gleich mit meinem Anliegen los, doch weit kam ich nicht. Ein Herr kam dazwischen,
stellte sich als der Direktor vor und bat mich in sein Büro. Prima, vielleicht kriegen wir das dann diesmal endlich ein für alle
mal geregelt. Ich stellte mich vor und erklärte, dass unsere Kirche einen Steuerbescheid bekommen habe, Kirchengebäude aber laut
Auskunft eben dieses Finanzamts steuerbefreit seien. Der Direktor antwortete mit einer ausführlichen Erklärung darüber, dass das
nur für nicht zu Wohnzwecken genutzte Gebäude gilt und sogar der Bischof für sein Haus Steuer zahlen muss. Dieser Hinweis galt
wohl den beiden katholischen Schwestern, die ihm gegenüber saßen, ich war da wohl ungewollt und ungefragt in eine Unterredung
geplatzt. Wusste ich alles schon, trotzdem danke für die Erklärung. Ich schilderte kurz, wie wir das Gebäude nutzen und dass
ich das schon mehrfach an dieser Stelle erklärt hatte und mir jedes Mal versichert wurde, dass damit alles erledigt sei. Wäre
zu klären, warum das Problem jedes Jahr wieder auftaucht und nebenbei bemerkt immer noch das falsche Postfach auf dem Bescheid
steht, obwohl ich auch diese Angabe jedes Jahr richtig stelle. Ich hätte bei dieser Gelegenheit gerne meine Abgabenordnung aus
dem Rucksack gezogen und mal eben nachgewiesen, dass uns der Bescheid gar nicht ordnungsgemäß zugestellt worden war, denn er
war weder im falschen noch im richtigen Postfach gelandet sondern einem Noch-nicht-Gemeindeglied, der in der Nähe der Gemeinde
wohnt einfach in die Hand gedrückt worden. Der Direktor stellte mir ein paar Fragen und als er hörte, dass das Grundstück vor
einigen Jahren mit dem Wohngebäude darauf gekauft worden war ließ er die Falle zuschnappen und hielt mir triumphierend unseren
Fehler vor. Wir hätten beim Kauf des Grundstücks dem Finanzamt gegenüber eine schriftliche Erklärung der Nutzungsänderung abgeben
müssen. Kein Problem, denke ich, das kann ich ja wohl nachholen. Doch so einfach lässt er mich nicht ziehen. Da wir dies in den
Vorjahren versäumt hätten, schuldeten wir die Steuer für die veranlagten Jahre. Bevor ich mir darauf eine schlaue und fachlich
gute Antwort überlegen kann hat er mir auch gleich den Säumniszuschlag dazu ausgerechnet, was’n Service. Als ich ihn dann
vorsichtig darauf hinweise, dass ich diese Erklärung jedes Jahr mündlich abgegeben habe und mir von seinen Beamten versichert
wurde, dass damit alles erledigt sei und mich keiner auf eine schriftliche Erklärung hingewiesen hatte holt er zu einem langen
Klagelied darüber aus, wie inkompetent die Leute hier im Finanzamt alle seien. Außer ihm, vermute ich. Es kommt aus Porto Novo,
der Hauptstadt im Süden des Landes, wo alles anders und besser ist. Aber das kann ja nun wirklich nicht mein Problem sein.
Langsam bin ich etwas genervt, finde es nicht so gut, den katholischen Schwestern hier ihre Zeit zu stehlen und will das auch
nicht vor ihnen ausdiskutieren. Außerdem war da noch der Wochenmarkt. Ich sage dem Direktor also ich würde wiederkommen und
mache mich aus dem sprichwörtlichen Staub. Kann mir jetzt irgendjemand sagen, wo ich die Gesetzessammlung einsehen kann, um
mich für die nächste Unterredung zu bewaffnen? Jemand hat auch schon vorgeschlagen, einfach nicht zu zahlen und auch nicht
mehr hinzugehen. Im Gegensatz zu irgendwelchen Geschäften können sie die Kirche ja schlecht schließen. Doch das widerspricht
dann doch meinem steuerlich-fachlichen Ehrgefühl.
Fortsetzung folgt....
[ wie es weiter ging lest Ihr im Bericht vom 28.02.2010 | Seite 37 ]
|